Merken, Nutzen, Weitergeben – Karnitzer Sonderrundbrief: Rettung‏

www.indiegogo.com/projekts/greek-bailout-fund#/story

Manchmal müssen die Gärtner aus dem Beet steigen und ihre breite Brust (mehr oder weniger) etwas Sonderbarem in den Weg stellen. Vor Jahren war es José Bové , der französische Bauer der mal kurz einen McDonald erlegte. (Jetzt könnt Ihr mit der Metapher spielen…) Und Margret Atwood hat diesen Typus eines  Gärtners ja auch beschrieben.

Nun – ich bekenne mich auch zu diesem Typus – Martina sowieso und Anne auch.

Wir haben einen neuen Freund – oder er hat uns als echt folgende Freunde: Ein junger Typ in einem Schuhladen in York (GB) meint berechtigt: das – mit Griechenland und aus europäischer Sicht – muss mensch selbst in die Hand nehmen. Die Institutionen der EU und die Banken tun es nicht _ sie können es nicht, sie bringen es nicht.

Auf der crowdfunding – Plattform   „ indiegogo.com „ richtete Thom Feeney einen griechischen Rettungsfonds ein: „By the people, for he people“

Ziel ist es, innerhalb dieser Woche 1.600.000 Euro zusammenzubekommen – drei Euro pro Europäer. Dies sei genau das Geld, das Griechenland im Augenblick benötige.

Warum eigentlich nicht- frage ich mich  – wenn wir noch Leute finden, die die 3 Euros von Dr. Merkel, Pastor Gauck und Mr. Cameron übernehmen. . (In den ersten Stunden des Projekts waren es schon 70.000 Euros)  Ich bin dabei.

Warum eigentlich nicht – frage ich mich – wenn ich ein Land sehe, dass seit Jahren in der Krise ist, wo sich 30 % der Bevölkerung nicht mehr die Krankenkasse leisten kann, wo Renten gekürzt und gekürzt wurden und die Suizidrate drastisch anstieg. 80 Mrd Euro griechischer Vielbesitzer sind in der Schweiz. Davon ist ein größerer Teil Steuergeld. Doch die Schweiz, Luxemburg, Großbritannien weigern sich, dem griechischen Staat einen Zugriff einzuräumen.

In den Forderungen von EU, IZB, IWF sind solche: Erhöhung der MWSt im Gastronomiegewerbe von 6,5 auf 23 %. Welcher Betriebswirt nennt das klug um den Tourismus anzuregen?

Um Ökonomie geht es den Gläubigern nicht: Das Spiel heißt Unterwerfung.

Edward Bernays hat 1928 das Buch „Propaganda“ geschrieben und diesen Begriff geprägt. In seinem Sinn ist jeder Artikel, jede Fernsehsendung Propaganda, in der die Eurokrise darauf reduziert wird, dass Merkel oder Schäuble oder sonst wer Griechenland „rettet“. Mit einem Wort wird etabliert, wer was tut und wer nicht, wer am Abgrund steht und wer mit helfender Hand herbei eilt. Mit einem Wort werden Schuld und Abhängigkeit hergestellt, mit einem Wort werden Dankbarkeit und Versagen festgelegt, mit einem Wort wird moralisch gerichtet.

Rettung aber ist ein Wort, das im Politischen und im politischen Journalismus nichts verloren hat. Denn es verschleiert die Motive und Interessen, aus denen Politik besteht.

Haben wir die Schlagzeile gelesen „Merkel rettet die Banken“ ? Das wäre doch auch eine plausible Verkürzung dessen, was seit 2010 geschieht!? Oder „EU und IWF planen Staatsstreich in Griechenland“ – wenn es darum geht, Griechenland in die Knie zu zwingen, nimmt man ein mögliches Scheitern der griechischen Regierung nicht nur in Kauf; man befördert es. Es wird immer wieder neu und atemlos auf den Showdown hin geschrieben – was nur die Krisenrhetorik der „Retter“ bedient, die den permanenten Notstand brauchen, um ihre Maßnahmen zu legitimieren.

Zugleich wird über Kleider und Schuhe des griechischen Finanzministers, über Schäubles blaue Augen, die nicht Lügen können etc. geschrieben – es ist eine Politikberichterstattung im Geist der Seifenoper, die nur dazu dient, das Sachliche, das Ökonomische zu verhüllen. Vom „Irakkrieg der Finanzen“ schreibt der britische Telegraf.

Europa ist solidarisch oder gar nicht – garantiert. Habermaas hat Frau Merkel daraufhin angesprochen: es werden in Griechenland nicht die europäischen Werte oder die demokratischen Ideale oder gar die griechischen Bürger „gerettet“; es wird primär ein Kapitalismus gerettet, der Stabilität und Sicherheit braucht.

Wir aber wollen ein Europa der solidarischen Bürger – was denn sonst ist „gutes Leben“. Ich zahle meinen Beitrag heute ein. 

Joachim Borner