Ganz am Anfang war das Wort‏

Will sagen: Die Botschaft! Und die ist – am 29. August feiersts in Karnitz. Ìst ein arbeitsfreier Tag – auch ein Tag mit vielen Sternschnuppen – und gilt Martina und ihrem 50. Jahr.

Ich lade Euch einfach ein – einfach so.

Ich wurde vor ein paar Wochen fünfzig. Da mir das aber ein bisschen zu schnell ging und ich nichts vorbereitet hatte, lade ich euch – zusammen mit meinem Joachim – einige Zeit später und nochmal zum Vormerken – am 29. August zur großen Geburtstagsparty nach Karnitz ein. Ich bitte ausdrücklich um kulturelle Beiträge und um Euch mit eurer Lust am Feiern und Tanzen und beim Sternschnuppen zählen Wünsche loswerden.  Freue mich sehr auf euch und gebt mir bitte per E-Mail Bescheid, ob, und wann und zu wie vielen ihr kommt …  Martina

Nun zurück zum geschriebenen Wort.

Vor etwas mehr als 100 Jahren schrieb ein Graf Schriften, die bald verboten, dennoch aber reißenden Absatz fanden, abgeschrieben und raubkopiert wurden. Dieser Graf brachte die Bauern gegen seinesgleichen auf. Eindringlich beschwor er seine Leser, das Land, die Höfe und Äcker nicht zu verlassen, die bäuerliche Realwirtschaft nicht aufzugeben und keine Scheinarbeit in der Stadt anzunehmen um Dinge herzustellen, die niemand wirklich braucht. Scheinbarer und wirklicher Reichtum – dieses unauflösbare Paradox unserer verschuldeten Wohlstandsstaaten und ihrer ewig unzufriedenen reichen Untertanen – thematisierte er.

Dass wir nicht auf ihn gehört und uns statt den Bäumen, dem Boden, dem Wasser – nur den Logiken von Ressourcenökonomie und Wachstum anvertraut haben, nimmt er uns vermutlich sehr übel – der Graf Leo Tolstoi.  In MV jedenfalls haben wir eine Brachlegung, eine „dritte Landschaft“ geschaffenen – anfangs waren es die Stilllegungen, jetzt sind es die öden Wechsel von Raps überall dann Mais überall dann Weizen überall. Scheinarbeiter der Stadt sind im Land zu Gange – oder?

Schlimm ist dabei das Verlustgehen von Diversität in Kultur und Natur und die parallel damit einhergehende Suche nach Identitätsrudimenten die wild und konzeptlos ausgegraben werden – ihr kennt das. Folkloristische Zipfel umgedeuteter Legenden und früherer  regionaler Identität sind das und haben nichts mit der Gegenwart und noch weniger mit zukünftigen Möglichkeiten zu tun. – Zu diesen beiden Zeiten, also dem Heute und dem Morgen ist brüllendes Schweigen. Es scheint, als hätte sich der Mensch, den Kant einst als kulturschaffendes Wesen benannte, aus dieser Wesentlichkeit verabschiedet. Die Gestaltung von Visionen ist kein Thema mehr.

Habermaas, der Selbstdenker beschreibt das so:„Es regiert eine normativ abgerüstete Generation, die sich von einer immer komplexer werdenden Gesellschaft einen kurzatmigen Umgang mit den von Tag zu Tag auftauchenden Problemen aufdrängen lässt.“

Tatsächlich verkümmert in diesem normativ ausgenüchterten Milieu – und den gestrickten Altmärchen – alles Visionäre und mit ihm alles Politische. Dabei gibt uns erst der Referenzrahmen der Zukunft: Überleben in Freiheit 2050 z.B. die Orientierung was heute zu denken, zu entscheiden und zu tun ist. Dabei ist die Frage nicht so zu stellen und die Vision nicht so zu formen, dass alles Nachdenken innerhalb unserer heutigen gesellschaftlichen Systeme bleibt. Die System selbst sind einer Prüfung zu unterziehen – hinsichtlich unserer eigenen Ansprüche.

In individualisierten Gesellschaften, wo jeder seines Glückes Schmied ist – wie es die Legenden erzählen, wird chronisch unterschätzt, in welch hohem Maße „Ich-Identität“ zugleich „Wir-Identität“ ist. Es ist ein Selbstmißverständnis zu glauben, man sei individuell.  Dabei hängen wir von „WIR“ ab, finden darin Maßstäbe für Stolz, Scham, Handeln, Solidarität. Wir-Gruppen füllen Handlungen mit Sinn aus! Ohne einen Fluchtpunkt der „WIR-Identität“, der in der Zukunft, in 2050 z.B. liegt, wird sich kein neues kulturelles Überlebensprojekt entwickeln lassen.

Wir sitzen gerade mit mexikanischen Kollegen – Wissenschaftlerinnen, Pädagogen, Philosophen im Garten und erörtern diese Dinge – und dabei fällt mir ein Zitat von Johann Heinrich von Thünen ein (auch einem Grafen), welches Thorsten Permien bei einer der Sommeruniversitäten vorgetragen hatte: Wer gezwungen ist, immer fremden Gedanken zu folgen und sich diese zu eigen zu machen, wer nicht die Freiheit hat, mit seinen Gedanken spazieren zu gehen, wie kann in diesem Menschen die Produktivität des Geistes, der schaffende Gedanke, die Kraft neue Wege zu gehen entwickelt, erhalten und ausgebildet werden?

Wir sind vom 12. bis 30. Juni in Karnitz, mit dem Gemüse, der terra preta und der Halle zugange, wer dazu stoßen möchte, gibt uns einfach ein Zeichen.

Liebe Grüße

Joachim und Martina