In Salem, dicht bei uns, gibt es eine Fischerei, die den Kummerower See und die Peene befischt und zugleich das Fischbuden-Prinzip aufrecht erhält mit ihrer Präsenz auf den Wochenmärkten. Es sind dankenswerter Weise wirklich vor allem Fische aus der Gegend, die, wenn sie wollten, sich mit den Einheimischen auf Platt unterhalten könnten. Das kleine Hotel mit Restaurant – am Markt in Stavenhagen – und die Aalbude bei Neukalen kann mit ihnen „formidable“ umgehen und wunderbare Gerichte daraus kochen. Man könnte ein wenig vermuten, dass der Fisch die Esskulturen von Salem, Malchin, Neukalen prägt(e).
In diesem Zusammenhang: Man muss einfach den Asterix-Band, der Tour de France heißt, kennen. Die beiden bekannten gallischen Helden treffen und „erobern“ bei ihrem Rennen in jeder französischen Stadt, durch die sie kommen, besondere und charakteristische Nahrungsmittel – Lyon hat die Wurst, Rheims den Champagner, Marceille die Bouillabaisse, Bordeaux Austern und Wein.
Das sieht wie eine unendlich lange Tradition aus. In Salem mag das sogar der Fall sein, denn die Slawen konnten schon damals, bevor die Zisterzienser kamen, vorzügliche Fischsuppen kochen (dazu nimmt man etwa 5 unterschiedliche Fischarten: Barsch, Wels, Rotfeder, Hecht oder Zander, Plötze oder Karpfen sowie Zwiebeln, Möhren und Kräuter wie Giersch, Löwenzahn.)
Doch in der Regel sind es immer Umbrüche, die die Essenskultur einer Region bestimmen. Z.B. ist Frankfurt am Main bekannt durch Apfelwein, Handkäs und grüne Soße. (Die Kombination ist nicht zu empfehlen; die drei Dinge sind Unikate.)
Mit der Industrialisierung vor etwas mehr als 100 Jahren veränderte sich das Selbstbild der Stadt Frankfurt. Es wuchs in kurzer Zeit um das Fünffache mit Menschen, die vom Land in die Stadt gingen und die ihren Geschmack mitbrachten und adaptierten. Vorher war das nicht Apfelwein, sondern der Wein, der in der Gegend am Main angebaut wurde. Es gab da einen Bruch des traditionellen Getränks und auch der Art zu essen, nun nämlich ein proletarisch-bäuerlicher, derber, säuerlicher Geschmack, mit dem man diese Stadt identifizierte. Heute, mit den globalen Banken und ihrer Skyline und den in ihnen werkelnden globalen Typen in dunklen Anzügen und Kostümen, blank-gewichsten Rindslederschuhen und wenig spektakulär-innovativer Haartracht könnte man sehr verwegen sagen, dass sich der Geschmack als lokale Blockupy-Attitüde geriert.
In Nairobi, Havanna, Hongkong – ach fast überall dagegen stehen die Kisten, Säcke und Tonnen gefüllt mit Erde und bilden die mobile Infrastruktur der urbanen Gemüseproduktion armer Milieugruppen. Die Zusammensetzungen des Gemüseanbaus schreiben folglich die Rezepte der Volksküchen und ein (sehr)kleines Gefühl von Ernährungssouveränität. Dieser Begriff – Ernährungssouveränität – wird uns in der Zukunft oft begegnen – nehme ich an.
Die hunderttausenden Schrebergärtner in Deutschland sind komische Gewächse geworden. Eigentlich haben sie (auch) eine Geschichte, die der des „urban gardenings“ ähnelt – es ist die Knappheit von Nahrungsmitteln, die eine Subsistenz- oder Selbstversorgerwirtschaft nötig machte! Die Kriegsgenerationen Europas haben in vielen Formen Haus- und Schrebergärten zur Sicherung von Ernährung ausgeformt – man schaue sich nur die Gartenstrukturen der Tautschen Häuser an der Greifswalderstrasse in Berlin an (Bauhaus-Schule). Doch heute pflegen diese Gärtner oft Zierblumen, Kurzrasen, Koniferen und Satzungen regider Kleingartenvereine – während das urban gardening auf Tomate, gute Kartoffel, Kürbis setzt. Letzteres scheint zukunftsfähiger zu sein – angesichts von Bodenknappheit und sinkender –fruchtbarkeit, wachsender Bevölkerung (die Uno schätzt 13 Milliarden zum Jahrhundertende) und veränderter globaler Konsumstruktur.
Olga Grjasnowa und Ayham Majid Agha haben in diesem Kontext eine großartige interaktive Theater Kochshow inszeniert. Essen war schon immer mehr als bloße Nahrungsaufnahme: Religionen, Nationen, Gesellschaftsklassen und Life-Styles differenzieren sich voneinander vor allem durch Essverbote!
Womit wir wieder in Salem sind – mit seiner empfehlenswerten Fischerei, die nicht nur vorzügliche Weißfische und deren Fressfeinde haben, sondern auch das Handwerkzeug – bei Bedarf – lehren: z.B. wie mensch einen Barsch schuppt oder Tipps zu Fischsuppen gebe.
Mit einem anderen Handwerker werden wir am 5. Juni arbeiten: Es ist Herr Kriszun aus Altkalen, ein begnadeter Holzarbeiter, der mit einem mobilen Sägegatter vorbei kommt, die Eschen und Eichenstämme zu Bohlen schneidet und uns beim rechten Stapeln anleitet. Das will gelernt sein, denn die Bohlen müssen lange geschützt liegen um ohne zu reißen trocknen zu können. In einem Jahr schaffen Luftzüge etwa 1 cm. An diesen Tagen haben wir auch mexikanische Gäste in Karnitz – mit entsprechender cocina.
Pfingsten ist auch was los! Wir machen ein kleines asado. In meiner Familie (Joachims) gab es einen Brauch – nämlich das Zelebrieren des Pfingstochsens. Dieser ist Bestandteil eines nur noch vereinzelt gepflegten Brauchtums zum Pfingstsonntag. Das Vieh wurde an diesem Tag das erste Mal auf die Weide getrieben und dabei in einer Prozession durch den Ort geführt. Das kräftigste Tier wurde mit Blumen, Stroh und Bändern geschmückt und führte als Pfingstochse die Herde an (daher auch die Redensart „geschmückt wie ein Pfingstochse“). Anschließend wurde er verspeist. Da wir in Karnitz keine Ochsen haben, sondern viele Schafe (die uns nicht gehören) und noch mehr Grünzeugs, bleibt es beim kleinen asado.
Das Spannende dabei wird sein, dass wir versuchen, den Pyrolyseprozess für die Holzkohleherstellung von terra preta quasi umzudrehen (das Feuer von oben anzuzünden) und das asado also auf dem offenen Feuer ohne beißenden Rauch, der uns einhüllt, zuzubereiten. Es ist eigentlich simpel, so simpel wie das Abrennen eines Streichholzes, wobei nicht das Streichholz verbrennt, sondern unter (wichtig) der Flamme des Holzgases das Holz verkohlt, und es gibt Holzkohle. Praktisch sieht das dann so aus, dass wir in unser Lagerfeuer ein großes Loch buddeln, ein Initialfeuer am Boden des Loch entzünden und dann nach und nach Schicht brennbares Material wie Holz, Blätter, Stroh zugeben. Physikalisch passiert dann folgendes: Das Glutbett am Boden sorgt dafür, dass die aufliegende Biomasse ausgast und das Gas sich entzündet. Brennt das Gas, verbraucht es allen Sauerstoff aus den darunter liegenden Schichten und verhindert damit, dass Sauerstoff von oben in die Pyrolysezone eindringen kann. Das Feuer selbst also sorgt für den Luftabschluss nach unten, so dass die unter dem Feuer liegenden Schichten, anstatt zu verbrennen, ausgasen und verkohlen. (Da es nur Verbrennung wegen der Flamme und des Knistern assoziiert, ist es theoretisch auch in Schrebergärten in der Stadt möglich.) Das entgegengesetzte Bild eines offenen Feuers wäre ein Scheiterhaufen, in dem der Sauerstoff von allen Seiten eindringen kann. Und hat von euch jemand schon mal einen Ochsen auf einem Scheiterhaufen gegrillt? Gelesen haben wir das wieder bei den Delinats, die die uralte Technik des rauchlosen Feuers perfektioniert haben und einen großen Kegelmeiler namens Kon-Tiki aus Stahl gebaut haben. Denn wer jeh jede Mahlzeit am Feuer zubereiten muss, hat irgendwann gelernt, ein Feuer von oben anzulegen.
Nun macht die Holzkohle alleine noch keine Terra Preta, die Holzkohle ist sozusagen nur der Speicher für Mikroorganismen (neben Wasser und anderen Nährstoffen) , die sich in ihr ansiedeln und dort über Jahrtausende ein Heim finden, sofern sie immer wieder etwas zum Essen bekommen, um letztendlich Humus zu produzieren und aufzubauen. Piet, das mit dem Perpetuum mobile ist also ein schönes Bild und mit Mulchen bekommen wir es auch aufrechterhalten.
Wir vermischen also schichtweise die Holzkohle mit unseren wie Sauerkraut gestampften Küchenabfällen und laden sie dadurch mit den tollen Milchsäurebakterien und Hefen auf. Nach vier bis sechs Wochen unter Luftabschluss haben wir Sauerkraut oder Kimchi, die Mikroorganismen haben alles schon mal aufgespalten, oder, um auf Sauerkraut oder auf Kimchi zurückzukommen, fermentiert. Das besondere daran ist, dass dieser Prozess ein Milieu mit stark regenerativen und aufbauenden Prozessen erzeugt. Es handelt sich hierbei um die guten, die probiotischen Bakterien, die ihr alle aus der Werbung kennt. Und, noch spannender, neben den guten gibt es natürlich auch die schlechten Bakterien, die, die Fäulnis verursachen. Und dann gibt es noch die große Gruppe der opportunistischen Mitläufer, die einer der beiden Gruppe folgen. Die guten wie die schlechten Bakterien sind mengenmäßig unterlegen, aber die Opportunisten (große Gruppe) folgen der dominanten Gruppe. Dadurch kann man mit relativ kleinen Mengen an guten Bakterien die Prozessrichtung eines natürlichen Milieus beeinflussen, im Boden ebenso wie im Darm. Und dieses Prinzip scheint auch im Makrobereich menschlicher Gesellschaft zu funktionieren.
Nun, wir haben die ersten – mit Holzkohle gemischten- Sauerkraut-, Kimchi-, und Bokashiansätze Richtung Garten gebracht und warten nun ca. ein halbes Jahr darauf, dass die Regenwürmer und andere Bodentiere es vererden. Dann erst haben wir Terra Preta.
Es kann auch die Holzkohle direkt mit Humus vermischt werden, so wie Driss es letztes Jahr gemacht hat. Und, nicht übertrieben, aber da, wo wir die Mischung von Driss aufgebracht und gut gemulcht (gefüttert) haben, ist ein übertriebenes Wachstum trotz langer Trockenheit zu sehen. Danke an Driss.
Ihr Lieben, wer von euch Zeit und Lust hat, an den Wochenenden mit dabei zu sein, gibt uns bitte Bescheid.
Liebe Grüße
Martina und Joachim